Heft #7 (performatives Heft): fließen, mischen, strömen

Im Frühjahr 2021 hatten wir gemeinsam mit neutro einen Open Call für Monologe. Die daraus entstandenen Texte wurden zu einem performativen Format miteinander verwoben: Die Stimmen fließen, mischen sich durcheinander, strömen über, werden zu flüssigen Monologen. 

Kristina Gorke hat diese Texte performativ eingefangen und miteinander verwoben. Die erste Aufführung des performativen Heftes fand am Donnerstag, 14. Oktober, auf der Murinsel in Graz statt.

Mit Texten von
Almut Tina Schmid
Michael Baumgartner
Sophia Brkić
Christiane Quandt
Bernadette Sarman
Clemens Schittko
Esma Ahmedi
Johanna K Sausen
Michael Benaglio
Christine Steindorfer
Syna Saïs
Una Steiner

Über fließen, mischen, strömen

Wir haben nach Texten gesucht, die danach schreien performt zu werden. Ausgehend, von den Gefühlen der Einzelnen, wollen wir die Entwicklung von einem Ich zu einem Uns, in dem alle Ichs Platz haben, abbilden. „Aber worüber soll ich denn reden. Na, über deine Gefühle.“ schreibt Steindorfer im ersten Text unserer Auswahl. Schittko fragt im zweiten: „aber wie sollten die Leute es auch merken? denn sie werden ja schon kaputt geboren“ „WIR ALLE ARBEITEN FÜR ANDREA.“ antwortet Baumgartner darauf im dritten Text. „Wir alle wissen wie es ist“, schreibt Schmitt.Wir haben nach Texten gesucht, die sich die Freiheit nehmen Fragen zu stellen und dabei gemeinsam das Dazwischen, zwischen den Kommunikationsgeräten, hinter denen wir sitzen, bevölkern. Texte, die einander ausziehen und hinter die Bildschirme, in die Zimmer, schauen, in denen in ewig langen Monologen, nach einer Antwort gesucht wird, die es nicht gibt. „Aus tausend Erinnerungen verschmelze ich zu einer Sehnsucht. Ich bin in dir, damit du dich nie wieder zu Hause fühlst“, schreibt Brkic.

Wir haben Texte gesucht und gefunden, deren Autor*innen, ohne einander, in Abwesenheit, aufeinander verweisen, miteinander, nackt, ihre Gedanken wechseln und verwechseln. „kurz nachdem du sie mir ausziehst die haut – darunter ist einmal kurz alles glatt rosa weich und feucht: das – hörst du – das bin wirklich ich“, schreibt Quandt.Aber plötzlich tauchen in der Stille der Lockdowns Insekten auf, die die Ruhe stören und zunächst noch beseitigt werden. Aber sie kommen immer wieder. „aber ich sehe es ich habe es sonst nie gesehen einmal gesehen dann vergessen wollte nie dass ein totes insekt lange an meiner wand klebt sie fallen sonst gleich auf den boden“, schreibt Ahmedi.Die schlechtesten Katastrophenfilme haben sich bewahrheitet. Wir haben begonnen uns mit der Katastrophe zu identifizieren. Sind wir schon eine Katastrophe, oder gerade noch nicht?

Aber „ich bin ein scheiss meteor“ und „ich bin kein scheiss meteor“, schreibt Saiss. „Das Herz überlägt sich vor Anstrengung. Ich kann nicht mehr einschlafen, so sehr pocht es“, schreibt Steiner.Überall wo wir sind, wo Menschen sind, zwischen unseren Vorräten, leben unsere Schädlinge. „Du starrst nicht mehr, ich sitze bis zum Brustkorb im Meer voll Kakerlaken.“ Schreibt Sarman in ihrem Text. „Meine Hände zittern, denke ich daran, meinen König und seine auf geschmückten Thronen sitzende Kakalaken zu unterstützen für den Todesgesang einer neuen Nacht“, schreibt Benaglio in seinem.Kristina Gorke wird vereinzelte Monologfetzen in die Bläue des Äthers hineinrufen, ihnen, dem Publikum, zurufen. Der Chor findet im mehrstimmigen Wirrwarr ihrer Gedanken statt.Wenn wir Zubettgehen machen wir das Licht wieder aus. Dann sind wir wieder allein. „Meine Luft ist aus.“ Schreibt Saussen im letzten Text unserer Auswahl „Mein Hoffnung ebenso. Die Kommunikation ist alle. Ich bin schwer genug, auch ohne dich. Du bist ohne meinen Käse zu leicht. Das weiß ich. Schadenfroh, aber mit freundlichen Grüßen, Jetzt nur noch Ich“. Damit beendet sie unseren Text-Reigen solo, einsam.
Aber ihr, das Publikum, seid nicht vor uns, sondern um uns. Wir sind mit euch um uns und schauen uns zu. Der Raum zum Denken ist der Anfang des Schreibens, des Auslotens dieses Raumes. Die Dichterin Monika Rinck schreibt in Wirksame Fiktionen*: „Und ebenso ist der Mensch ein Grenzwesen, das keine Grenzen hat.“ In dieser Freiheit liegen unsere Gemeinsamkeiten, die performt werden wollen.

* Rinck, Monika: Wirksame Fiktionen, Wallstein Verlag, 2019 Berlin

Mit freundlicher Untertstützung vom Land Steiermark (A9 Kultur, Europa, Sport), Stadt Graz (Kulturamt) und Graz UNESCO – City of Design