mischend suchen wir : suchend mischen wir

(Textauszug)

Wer mischt?

Ich, du, wir, ihr, sie – dieses ‚Wer‘ stimmt mich opak, es drängen sich in mir hinterfragenswerte Gedanken bei der Selbstbeobachtung meines Denkens auf. Ich hatte ja stets die Überzeugung, dass Fragen, die nach einem ‚Warum‘ suchen, vollkommen irrelevant sind. Jetzt muss ich hinzufügen: Sowohl Fragen mit ‚Warum‘- als auch mit ‚Wer‘-Elementen, sind – zumindest in meinen Augen – irrig, von geringer Relevanz. Oder ist es die Zusammensetzung, die Relation zu unserem Mischen? Ich darf es nicht verallgemeinern, denn dann kann mir viel Folgerichtiges aufgebürdet werden. Nun, im Sinne der Mischungen, die sich reichlich entfaltet haben werden, bleib ich aber doch dabei. Ist es denn sinnvoll, zu fragen, warum leben und wer für das Leben verantwortlich ist?
Gleichwohl und ohne Frage weitreichender ist es, nach dem Mischen zu fragen. Wenngleich: Nicht substantiell, im Sinne einer Bestimmung dessen, was unter dem Mischen zu verstehen ist. Dementsprechend könnte man sich dann ja danach richten, man hätte in diesem Sinne einen Orientier-
ungsrahmen. Uns geht es doch darum, nicht nach der Mischung zu suchen, sondern vielmehr mischend zu suchen, nicht?

Nun hast du dekliniert, wer mischen könnte und ich musste dabei an das französische Pronomen ‚personne’ denken, dass sowohl ‚jemand’ als auch ‚niemand’ bedeuten kann, weil deine Aufzählung für mich dazwischen changiert. Und ich stimme dir zu, dass es uns nicht um die Bestimmung dieses, unseres Wers gehen kann, nicht um eine Selbstsetzung, in der wir definieren – mit einer Aneinanderreihung aus Substantiven und Adjektiven – wer wir sind oder vielmehr wer wir meinen, zu sein. Weil wer wir sind, wird sich, wenn überhaupt, darin zeigen, wie wir mischend suchen oder suchend mischen. Wird sich, wenn überhaupt, darin zeigen, welche Texte wir mischen, welche Texte wir suchen.

Ja; ohne Zweifel, ein Changieren in den Nischen und so wie du sagst: Zwischenräume sollen bewohnt werden. Der Raum entsteht insofern erst aus der Mischung von Elementen. Denn genauso wenig der Bauplan mit dem Bauwerk verwirklicht wird, so dürftig erreicht der direkte Weg das vorab festgelegte Ziel. Und ja; es ist schon in unserem Sinne: Disambiguieren, Vereindeutigen, Entkoppeln sind ebenso wie Polyphonie, Mehrdeutigkeit, Hybridität Bausteine von Texten und Kräfte des Denkens. Abstrakte Inhalte, die eben belebt, gemischt werden wollen. Alte Bausteine des Denkens, das ist gewiss, die nur mischend durcheinandergewirbelt, etwas Neues entstehen lassen können. Dieses Etwas will sich zuallererst selbst gehören und findet gerade deshalb auch keine Stimme, die für es spricht. Das Diktum der Zeit, des Klimas und des Raums sind verstört, irritiert, weil das Etwas noch keinen geeigneten Platz einnehmen kann: Es passt irgendwie nicht hinein, nicht in das Sagbare, aber auch nicht in das Unsagbare. Das mischende Neue ist demnach keine reine Variation der Bausteine mehr, oder? Aber natürlich stellt sich auch die grundlegende Frage: Wer mischt für dich, für uns? Mischt sich das Mischen selbst und wie geht es dann weiter?

Raffael Hiden, Julia Knaß